Dies ist unsere Position

Positionspapier zur geplanten Monoklärschlammverbrennungsanlage Stand 03.07.2020

Auf einem Gelände zwischen der Kläranlage der Stadt Hildesheim und dem Hafenbecken soll eine Monoklärschlammverbrennungsanlage (MKVA) entstehen, die pro Jahr 135.000 t Klärschlamm (OS) bzw. 33.500 t Klärschlamm-Trockensubstanz (TS) von 22 Gesellschaftern aus 57 Kläranlagen verbrennen soll. An diese MKVA soll einmal eine Anlage zur Gewinnung von Phosphor aus den bei der Verbrennung entstehenden 18.0000 t/a Asche angeschlossen werden. Hildesheim selbst steuert pro Jahr 11.000 t Klärschlamm (OS) bzw. 2.800 t getrockneten Klärschlamm (TS) zur Verbrennung bei. Zur Zeit werden noch etwa 20% des Hildesheimer Klärschlammes landwirtschaftlich verwertet. 

Der KNRN gehören Gesellschafter an, die aufgrund der geringen Kläranlagengröße von unter 50.000 Einwohnerwerten (EW) keiner gesetzlichen Verpflichtung zur Phosphorrückgewinnung unterliegen und frei in dem künftigen Umgang mit dem Klärschlamm sind. Dies sind die Stadtwerke Sehnde, die Gemeinde Wedemark, die Stadt Sarstedt, der Abwasserverband Gehle-Holpe und die Gemeinde Lengede.

Nach Angaben der KNRN beruht die Entscheidung für den Standort Hildesheim auf einem unabhängigen und neutralen Auswahlverfahren der Firma Joma. Der Bericht wurde uns zur Verfügung gestellt und ist auch auf der Internetseite der KNRN einsehbar. Joma hat die Suche nach einem geeigneten Standort in mehreren Bewertungsschritten vorgenommen, 48 Standorte wurden untersucht. 27 Standorte wurden aufgrund von Ausschlusskriterien aus der weiteren Standortsuche ausgeschlossen. An dieser Stelle hätte auch Hildesheim ausgeschlossen werden müssen, denn die Kriterien 

  • Standortsensibilität (lebensmittelverarbeitende Industrie: Hafenumschlag Getreide, Große Mühle Hasede, Gewerbegebiet Nord mit Lidl, Bäko, Fruchthof Nord) und
  • nachbarschaftliche Belange von Natur- und Wasserschutz sowie die
  • geographische Höhenlage (Umland deutlich höher)

wurden nicht hinreichend gewürdigt im Vergleich zu anderen Standorten.

Trotz der sogenannten trimodalen Anbindung (Straße, Schiene, Wasserweg) erreichte der Standort Hildesheim in der Standortanalyse bei der vergleichenden quantitativen (wirtschaftlichen) Bewertung nur den Platz 4 von 7 Standorten. Die Ratsvorlage 18/309 Anlage 3 FAQ Ziffer 6 sagt dagegen: „Auf Basis von wirtschaftlichen Vorteilen durch Transport und Synergieeffekte an den jeweiligen Standorten ergibt sich mit den beteiligten Projektpartnern Hildesheim als der Standort mit den größten ökonomischen und ökologischen Vorteilen. Zu nennen sind hier der trimodale Anschluss an Bahn, Schiff und Straße sowie die direkte Anbindung an die Kläranlage Hildesheim“. Das haben die Gutachter der JOMA so aber nicht geschrieben! Hinzu kommt noch, dass keine der anliefernden 56 Kläranlagen einen Anschluss an Bahn oder Wasserweg hat.

Es ist geradezu abenteuerlich, wenn alle Forderungen dahin gehen, künftig CO2 einzusparen und wir dann erleben müssen, dass die Klärschlammtransporte z. Bsp. aus Nienburg, Langenhagen oder Celle an der Klärschlammverbrennungsanlage in Hannover-Lahe über Jahrzehnte vorbeifahren und das weiter entfernte Hildesheim ansteuern! Eine Anlieferung per Bahn oder Schiff nach Hildesheim ist aufgrund der geographischen Situation der Partner überhaupt nicht darstellbar und reines Wunschdenken. Selbst wenn man berücksichtigt, dass zurzeit noch Klärschlamm mit über 70% Wasseranteil über weite Entfernungen transportiert wird und sogar ins Ausland geht, sollten künftige Entwicklungen eine regionale Zuordnung berücksichtigen, alles andere ist nicht akzeptabel. Die Anlage in Hannover-Lahe ist übrigens seit Januar 2023 in Betrieb und sucht derzeit in der Region noch Partner für die Anlieferung des Klärschlammes zu günstigen und langfristig gesicherten Preisen einschließlich der Entsorgung der Asche. Der Preis pro Tonne ist ca. 50 € niedriger als der geplante Preis der KNRN (Stand 05/23, kann sich ändern)

Ein Standort wurde in der Joma-Analyse wegen des Waldumfeldes abgewertet. Wir fragen uns, warum wurden beim Standort Hildesheim das Naturschutzgebiet Haseder Busch und die anliegenden FFH-Gebiete nicht berücksichtigt? Warum wurde nicht beachtet, dass der für die Bebauung vorgesehene Hafenbereich laut Umweltverträglichkeitsstudie des Kanal-Neubauamtes als Fledermaus-Jagdgebiet von herausragender Bedeutung eingestuft ist und sich in unmittelbarer Nähe Vogel-Brutstandorte streng geschützter Arten befinden?   

Im Hildesheimer Hafen wird seit Jahrzehnten in großem Stil Brotgetreide und Raps gelagert und offen umgeschlagen. Es handelt sich dabei um ein Lebensmittel, das von 135 Landwirten aus der Region angeliefert und per Lkw und Schiff weiter transportiert wird. Daneben soll dann eine Anlage betrieben werden, deren Emissionen das Getreide zur Vermarktung als Lebensmittel deutlich erschwert. 

Keine 500 Meter nördlich der geplanten Anlage entfernt befindet sich die Große Mühle Hasede mit einem Tagesumschlag von etwa 700 t Getreide und Mehl (ca. 250.000 t pro Jahr); hier gilt, was auch für den Lebensmittelumschlag im Hafengebiet maßgeblich ist: Lebensmittel vertragen keine Giftstoffe.

Im Umland gibt es sogar Biobauern, die strikte Vorgaben hinsichtlich der Umweltstandards einhalten müssen. Eine ökologische Landwirtschaft wird künftig kaum möglich sein, wenn das Werk wie geplant in Betrieb geht und pro Jahr mehrere Kilogramm Quecksilber, Schwermetalle und weitere organische, teils krebserregende Stoffe und Feinstäube über den Schornstein ins Umland verteilt. Diese Stoffe nehmen wir nicht nur über die Lebensmittel, sondern insbesondere über unsere Atemluft auf. Die Verteilung erfolgt auch nicht gleichmäßig, sondern entsprechend der Hauptwindrichtung vorrangig nach Drispenstedt, Bavenstedt, Asel und Harsum.

Die Kläranlage und die geplante MKVA liegen deutlich tiefer als das Höhenniveau der Umgebung und dies führte nicht zu einer Abwertung in der Standortanalyse, obwohl der zu errichtende Schornstein in der Nähe der Einflugschneise des Flugplatzes eine enorme Höhe haben muss:

Kläranlage Hildesheim 73 m über NN                 Hasede 81 m

Klein Förste 78 m                                                   Harsum 81 m

Asel 90 m                                                                 Bavenstedt 89 m

Drispenstedt 95 m                                                  Lidl  / Flugplatz 89 m 

Hildesheim Rathaus 94 m                                     Himmelsthür 100 m

Osterberg 170 m.

Trotz moderner Filterung von 99,9% der Anlagenabgase werden in der MKVA pro Jahr mehrere Kilogramm Schadstoffe in die Umgebung abgegeben. Die am 23.01.2020 durch Herrn Dr. Manthey in einer Präsentation vor Ausschüssen der Gemeinde Giesen und dem Ortsrat Hasede gezeigte Luftemission von Quecksilber und Dioxin kann bei der Aufnahme über die Nahrung oder die Atmung die Gesundheit mehrerer 100.000 Menschen beeinträchtigen. Der Niederschlag an Quecksilber summiert sich über die Mindestnutzungszeit der MKVA von 25 Jahren auf über 50 kg Quecksilber und 2,5 t Schwermetalle, die über die Luft verteilt und eingeatmet werden.

Es gibt nach Angaben des Umweltbundesamtes einen Grundwert an vorhandenem Quecksilber von 5,5g pro Quadratkilometer, dieser Wert ist durch menschliche Handlungen verursacht und kommt nicht natürlich vor. Bezogen auf einen Umkreis von 5 km um die Anlage wird sich dieser Wert verfünffachen. Dabei erfolgt die Verteilung nicht gleichmäßig, sondern die Belastung steigt im Bereich der Hauptwindrichtung nach Osten und Nordosten. Durch Niederschläge und die damit verbundene Ausspülung kann dies im Nahbereich um die geplante Anlage durchaus extrem sein. 

Klärschlamm muss vor der Verbrennung getrocknet werden, dabei entstehen bei der Menge von 135.000 t Klärschlamm pro Jahr 70.000 cbm Brüden (Kondenswasser), der an die Kläranlage abgegeben wird. Nun wissen wir aus Schilderungen von Dr. Voß, dass die Kläranlage bei Starkregen überlaufen kann, da weite Teile des Hildesheimer Stadtgebietes mit einem Kanal-Mischsystem ausgestattet sind. Die Suppe läuft dann also ungeklärt in die Innerste.

Diese ganzen Emissionen kann man nur verhindern, indem man andere Verfahren zur Klärschlammbehandlung anwendet oder eine kleinere Anlage nur für Hildesheimer Klärschlamm-Mengen errichtet.

Beispiele:

Es ist machbar, bis zu 70% des Phosphors aus dem Klärschlamm mit dem CSH-Verfahren laut ISAH-Studie (2016 Kläranlage Hildesheim!) zu gewinnen. 

Auch das PhosForce-Verfahren der Firma Veolia ist für Hildesheim anwendbar, damit sind zwei Verfahren zur Gewinnung des Phosphors aus dem Nass-Schlamm kostengünstig nutzbar. 

Der Phosphor wird im gesetzlich geforderten Umfang dem Klärschlamm entzogen (unter 20g/kg), der Rest kann in die Mitverbrennung im Zementwerk Höver oder in die Müllverbrennung in Hannover-Lahe. Kassel sucht auch dringend Klärschlamm als Ersatz für die bisher genutzte Braunkohle und könnte per Bahn beliefert werden.

Der Gesetzgeber spricht von thermischer Behandlung des Klärschlamms und schreibt keine Verbrennung in einer großen MKVA vor, deshalb sehen wir neben einer bedarfsgerechten  Verbrennungsanlage für den Hildesheimer Klärschlamm auch die Möglichkeit des Einsatzes der Pyrolyse als Alternative zur Verbrennung. In einer Pyrolyseanlage entsteht als Produkt ein Klärschlamm-Karbonisat, das den wertvollen Phosphor enthält und nach entsprechender Zulassung voraussichtlich ab 06/2022 landwirtschaftlich verwendet werden kann. Wenn man dann noch bedenkt, dass Pyrolyse-Anlagen aufgrund geringer Größe und geringerer Kosten (ca. 1 Mio.) auch für kleinere Kläranlagen rentabel sind (siehe Seite 1), sollten eigentlich durch das Land Niedersachsen dezentrale Anlagen gefördert werden. Die Transportkosten gehen dabei gegen Null und eine CO2-Belastung durch Transporte entfällt auch. Im Gegensatz zur Monoverbrennung entstehen auch keine Restasche oder andere Stoffe, die Untertage verbracht werden müssen. Wir halten das für die geeignete Zukunftslösung und meinen, bis 2029 ist noch Zeit, eventuell vorhandene Kinderkrankheiten in Ruhe zu beseitigen.

Die Mono-Klärschlammverbrennung ist die mit Abstand teuerste Behandlungsmethode und hat hinsichtlich der künftigen CO2-Bilanz nur Nachteile, denn 1 cbm Klärschlamm setzt bei der Verbrennung 243 kg CO2 frei. Anders sieht die Bilanz bei der Pyrolyse aus, denn bei der Karbonisierung werden je cbm Klärschlamm 45 kg CO2 in der Klärschlammkohle (Karbonisat) für Jahrhunderte gebunden, das bedeutet eine CO2-Einsparung von 198 kg je cbm. Hildesheim allein könnte pro Jahr 2100 t CO2 einsparen.

Wir fragen uns auch, was die große MKVA einmal kosten wird. Im Wirtschaftsplan der KNRN für 2019 ist zu lesen, dass die Anlage in der großen Variante 47 Mio. € netto kosten soll. Der Wirtschaftsplan 2020 zeigt Kosten in Höhe von knapp 53 Mio. € netto auf, die jährlichen Steigerungsraten der Investitionskosten liegen bei bis zu 20%. Alle Schätzungen beruhen auf Planungsergebnissen aus 2016! Und die Kosten für ein Verfahren zur Rückgewinnung von Phosphor und die Verarbeitung der Asche sind in der Kalkulation noch nicht enthalten. Das wird ein finanzielles Abenteuer!! Mit Stand 2023 ist von Kosten in Höhe von 90 Mio. € auszugehen.

Wenn man schon über Kosten spricht, muss man auch wissen, dass die Hildesheimer Gebührenzahler für jede Tonne Klärschlamm, die von den anderen Gesellschaftern kommt, fast 15 € pro Tonne bezahlen. 

Die standortspezifischen Netto-Behandlungskosten für jede Tonne Klärschlamm betragen laut KNRN Wirtschaftsplan 2020  75,40 € + 11,80 € Transportkosten = 87,20 € netto. Hinzu kommen noch die späteren unkalkulierbaren Kosten und Investitionen für die Entsorgung und Behandlung der Asche. Ein Dienstleister aus der Region Nettlingen bietet die Entsorgung des Klärschlammes in Hannover-Lahe für unter 80 € /t OS auf mindestens 10 Jahre fest, die Frachtrate beträgt 5,90 € /t OS. Die Anlieferung kann direkt oder über den Dienstleister erfolgen und stellt eine günstige Entsorgungsmöglichkeit dar. Eine Stadt wie z. B. Sarstedt hätte damit bei einem Aufkommen von 1200 t OS pro Jahr Kosten von ca. 120.000 €.

Eine wichtige rechtliche Vorschrift gibt es auch zu beachten: § 3a der Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung vom 27.09.2017. Die Vermischung von Klärschlämmen aus Abwasserbehandlungsanlagen unterschiedlicher Klärschlammerzeuger (= Gesellschafter) darf erst nach Abschluss eines Vertrags zwischen den beteiligten Klärschlammerzeugern erfolgen. In dem Vertrag ist insbesondere ein Klärschlammerzeuger zu benennen (= SEHi?), dem die verantwortliche Durchführung der Phosphorrückgewinnung obliegt.  Damit sind die SEHi und in Folge die Gebührenzahler der SEHi verantwortlich und haftbar für die Asche aller beteiligten Gesellschafter – die anderen sind fein heraus und die Asche wird der Klotz am Bein aller Hildesheimer Gebührenzahler, denn es ist derzeit überhaupt nicht absehbar, welche Kosten die Asche einmal verursachen wird. Allein dieser Punkt ist für Hildesheim absolut unkalkulierbar, deshalb weisen wir explizit darauf hin. 

An dieser Stelle noch einmal ein deutlicher Hinweis auf die zeitlichen gesetzlichen Vorgaben: Erst bis zum 31.12.2023 muss eine Entscheidung fallen, welches Verfahren künftig zur Klärschlammverwertung und Phosphorgewinnung angewandt werden soll und erst ab 2029 muss eine praktische Umsetzung erfolgen. Daher ist eine so frühzeitige Festlegung auf eine große MKVA ein Fehler!

Wir sehen es jedenfalls so, dass 21 Partner ihre Probleme abgeben und eine Kommune alle Probleme auf sich konzentriert. Wir sind darüber hinaus der Ansicht, dass eine MKVA am einzigen freien Umschlagplatz am Hildesheimer Hafen definitiv falsch platziert ist und bitten die Hildesheimer Ratsmitglieder, ihre Entscheidung zu revidieren.

Hier können Sie unsere aktuelle Präsentation ansehen oder herunterladen (Stand 03.07.2020)